Von links nach rechts: Namentlich nicht bekannter Hopi, Dr. Andrea Loseries Leick, Clanchef Ned Nayatewa, Tenga Rinpoche, der 16. Gyalwa Karmapa und Übersetzer Achi Tsepal.
Fotograf unbekannt.
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Auszug aus: Gerd Bausch: Strahlendes Mitgefühl, Band 1, Kapitel 3.
Besuch bei den Hopis
Wenn der Eisenvogel fliegt,
Und die Pferde auf Rädern fahren,
Werden die Tibeter wie Ameisen auf der ganzen Welt verstreut.
Dann kommt der Dharma ins Land des Roten Mannes.
Padmasambhava, 8. Jahrhundert[1]
Eines der Hauptanliegen von Karmapas Besuch in Amerika war es, die ersten Bewohner des Kontinents zu treffen. Bereits vor der Reise hatte er wiederholt davon gesprochen, unbedingt die Hopi-Indianer besuchen zu wollen, seiner Ansicht nach die friedvollsten unter den amerikanischen Indianern.[2] Jetzt war der Augenblick gekommen, wo der Wunsch Wirklichkeit wurde: Sein goldener Cadillac fuhr die letzten Serpentinen zu einem der Hochplateaus hinauf, das die spanischen Eroberer Mesas getauft hatten, wo der Clan der Bären bereits vor über tausend Jahren die ersten Lehmhäuser des Ortes Walpi errichtet hatten. Es war ein unglaublich heißer Tag und das Land schien lange keinen Regen gesehen zu haben.
Der Besuch, der als historisches Wiedersehen der beiden alten und verwandten, jedoch seit Jahrtausenden getrennten Kulturen bekannt werden sollte, begann allerdings mit einer kleinen Panne: Es hatte hinsichtlich des Datums ein Missverständnis gegeben und so kam man in ein verschlafenes Dorf. Clanchef Ned und seine Frau Nerne, die am Fuße der Mesa lebten, wurden geholt und legten die hundert Höhenmeter in unglaublicher Geschwindigkeit zu Fuß zurück. Karmapa, der in jeder Situation zu Hause war und ohnehin keinen Wert auf Pathos oder Protokoll legte, störte all dies jedoch in keiner Weise.
„Ich freue mich, Euch alle zu sehen, denn mir ist klar, dass Ihr einen weiten Weg hinter Euch habt!“, waren Neds Willkommensworte. Karmapa erwiderte: „Wir müssen uns schon hunderte von Jahren kennen, Eure Rituale, (...) Zeremonien und Euer Lebensstil ähneln den unseren so sehr!“ Er überreichte den Hopis Gastgeschenke und fügte hinzu: „Ich werde mich an Euch immer in meiner Meditation erinnern.“[3]
Rigpe Dordje wurde durch das Dorf geführt. Die weitere Unterhaltung zwischen Ned und Karmapa schildert die mitreisende Andrea Loseries-Leick:
Karmapa erzählte von seiner Heimat, sie sprachen über die Ziegen und Schafe und die Fruchtbarkeit der Erde. Ned erzählte, dass es lange nicht geregnet habe. Die Hopis hätten schon viele Regenrituale gemacht, aber trotz alledem lag der letzte Regen einige Monate zurück. Das war eine für den Stamm bedrohliche Situation. Karmapa sagte: 'Keine Sorge, ich kümmere mich darum!' Anschließend kam er auf die Vorhersage Padmasambhavas zusprechen und Stammesoberhaupt Ned erwiderte: 'Wir haben eine ähnliche Prophezeiung! Eigentlich sind wir Brüder!' Die beiden umarmten sich. Alles schien sehr alltäglich und war doch zugleich historisch bedeutsam. Sie verstanden sich bestens und hatten ihre Freude, miteinander zu sein."[4]
„Wir sind Brüder“ bezog sich auch auf die alte Verwandtschaft der indianischen und tibetisch-mongolischen Stämme. Nach Auffassung der westlichen Wissenschaft wanderten Erstere vor langer Zeit über die Beringstraße nach Amerika aus. Die Hopis hingegen erzählen sich, dass es die Tibeter, ihre lang verlorenen Geschwister, waren, die die Hopis zu Beginn der Zeit verlassen hatten, um ans andere Ende der Welt zu wandern und sie so spirituell auszugleichen.[5] Sie würden, so die Prophezeiung des Stammes, eines Tages zurückkommen. Nun war also der Augenblick des Wiedersehens gekommen: Die Verwandten der Hopis kehrten in die Steppen Arizonas zurück.
Der damals über hundertjährige Hopi-Älteste Dan Kachongva hatte bereits zehn Jahre zuvor Hetty MacLise, die Mutter der amerikanischen Inkarnation Sangye Nyenpas getroffen und ihr den Prophezeiungsstein des Volkes gezeigt. Er erklärte ihr, dass der Stein das Kommen des großen Reinigers ankündige, dessen „Weg dem des Großen Geistes gleiche. Er trage bei seiner Ankunft einen roten Hut sowie einen roten Mantel und bringe einen roten Gott. Auch würde er Regen machen.“[6] All dies schien nun Wirklichkeit zu werden, denn Karmapa war das Oberhaupt der auch „Rotmützen“ genannten Kagyü-Schule, trug eine rote Robe und gab abends die Ermächtigung auf den roten Avalokiteśvara*, bei der er den roten Panditahut trug. Es war also ein wirklich großes Ereignis – das Treffen lange voneinander getrennter Geschwister – und dennoch bestach es durch Einfachheit, die jeglicher Dramatik entbehrte.
Zu Ende des Besuchs kamen sie zu dem Versammlungsplatz des Ortes, der Kosovi, an der sich die unterirdische Kiva, das Heiligtum des Dorfes, befindet. Ned lud Karmapa und seine Begleiter in diesen Tempel ein, dessen Form symbolisch das Weltbild der Hopis spiegelte, er lehnte jedoch ab, da er aufgrund seiner Knieprobleme die wackelige Leiter nicht heruntersteigen wollte. Während man Rigpe Dordjes Begleitern in der Kiva die Mandalas der Hopis erklärte, deren Form interessanterweise jenen der Tibeter gleichen, und ihnen die heiligen Reliquien des Stammes zeigte, „saß Seine Heiligkeit auf dem flachen Dach des Heiligtums und rezitierte das Dewatschen-Gebet, das Gebet des von Buddha Amitābha gesegneten Buddha-Bereichs.“[7]
Bald darauf verabschiedete man sich herzlich von Clanchef Ned, seiner Frau und den übrigen anwesenden Dorfbewohnern. Karmapas Chauffeur erinnert sich an die anschließende Fahrt ins Hopi Cultural Center:
"Wir fuhren langsam den Berg hinunter. So weit man blickte war der Himmel wolkenlos. Als wir knapp zwei Drittel des Weges, der sich von der Mesa in Serpentinen hinunterschlängelte, hinter uns hatten, begann Seine Heiligkeit eine spezielle Pūjā zu rezitieren. Es stellte sich eine ganz besondere Ruhe ein. Während Seine Heiligkeit mit der Pūjā fortfuhr, sah ich voller Verwunderung und Erstaunen, wie sich der zuvor strahlend blaue Himmel wie von Zauberhand (...) wie in einem Zeitraffer in einen schwarzgrauen und bedrohlich anmutenden Himmel verwandelte, voller schnell sich aufladender Energie, die aus dem Nichts aufzutauchen schien."[8]
Für Jigme Rinpoche war all dies jedoch nichts Außergewöhnliches, hatte ihm doch Rigpe Dordje erklärt, dass eine Erkrankung der Nāgas[9] die Dürre bedingt habe, weswegen dieser einem seiner Mönche aufgetragen hatte, an einer Quelle den Nāgas seine berühmte gesegnete schwarze Pillen zu überreichen.[10] Binnen kürzester Zeit heilten diese deren Krankheit – und so kam es umgehend zum lang ersehnten Regen, den die Prophezeiung vorhergesagt hatte.[11]
Nach dem sintflutartigen Wolkenbruch kündigte Karmapa während des Abendessens im Hopi Cultural Center an, dass er anschließend eine Ermächtigung zu geben gedenke, zu der er die auf den umliegenden Mesas und den benachbarten Orten lebenden Hopi- und Navajo-Indianer einlud. Die Hopis schienen ebenso wie die Tibeter Meister der Improvisation zu sein – Tische des Konferenzraumes wurden zusammengerückt und auf ihnen ein Schrein aufgebaut.[12] 150 Indianer kamen, darunter auch einige ihrer Oberhäupter. Als Karmapa beim Klang der Gyalings in den brechend vollen Raum geführt wurde, trug er bereits den roten Pandita-Hut. Die Hopis verstanden: Genau das hatte ihre Prophezeiung vorhergesagt. Er gab die Schwarze-Kronen-Zeremonie und die Ermächtigung auf Korwa Dongdrub, eine rote Form Avalokiteśvaras. Anschließend reihten sich Navajos und Hopis in die Schlange für den Segen ein – „es war ein großes Wiederfinden“[13], da waren sich alle Anwesenden einig. Steve Roth:
Wir wurden Zeuge einer Kommunion zwischen Karmapa und einer Gruppe von erstaunten und wie paralysiert dastehenden Indianern, das war nicht abzustreiten und unvergesslich. Die Begegnung war sehr persönlich, und die westlichen Dharmaschüler, die ihren Weg hierher gefunden hatten, wurden Zeuge dieses sehr herzlichen Ereignisses. [14]
Den Indianern ging dieses Wiederfinden sehr nahe, wie sich Achi Tsepal erinnert: „Hopis und Navajos standen die Tränen in den Augen, denn sie spürten, dass es die Wiederherstellung einer alten Verbindung war.“[15] Schon rein äußerlich waren sich die beiden Völker so ähnlich… Erstaunt stellte man fest, dass „Taawa“ in der Sprache der Hopis Sonne und „Dawa“ auf Tibetisch Mond bedeutet. Auch während der Ermächtigung erkannten die Hopis viele Ähnlichkeiten mit ihren eigenen Zeremonien. Das „geweihte Wasser und der Reis ähnelte in seiner Bedeutung sehr dem Medizinwasser und der Maisspeise (Homa) der Hopi-Zeremonien.” Lama Tsültrim Allione: "Karmapas Mitreisende fanden es äußerst beindruckend, das Verhältnis der Hopis zu ihm bezeugen zu können! Der Indianerstamm ähnelte den Tibetern so sehr, nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrer reinen Hingabe, Erdverbundenheit und Bescheidenheit..."
Auch Steve Roth bestätigte, dass „sowohl die Indianer als auch wir vollkommen regungslos dasaßen.“ Die weißen Besucher wurden Zeuge dieses Wiedersehens. Roth:
"Am nächsten Tag brachte eine regionale Zeitung eine Titelstory, in der sie schrieb dass „die 75-tägige Trockenheit von dem Besuch eines ehrenwerten aber ungewöhnlichen ‚östlichen Häuptlings‘ beendet wurde, der unter anderem dafür bekannt war, Regen machen zu können.“ Doch der Zeitung war ein wichtiger Punkt entgangen: Karmapa hatte sehr eindrücklich Padmasambhavas Prophezeiung aus dem 8. Jahrhundert erfüllt."[16]
Rigpe Dordje hatte im Vorfeld den Wunsch geäußert, auch eine Medizinfrau der Hopis zu treffen, und so besuchte er am nächsten Morgen Grandmother Caroline in der Second Mesa. Erneut diskutierten sie die Prophezeiungen der Hopis und die tibetische Shambhala-Prophezeiung. Sie erzählte Rigpe Dordje, dass sie noch als junge Frau in den nahegelegenen Bergen all die wunderbaren Medizinpflanzen gefunden hatte, die sie brauchte. „Sie haben sich heute alle in Gift verwandelt!“ Dies sei ein Zeichen, dass die Prophezeiung der Hopis wahr werde und man sich in der Zeit des Übergangs von der gegenwärtigen vierten Welt in die kommende fünfte Welt befinde.[17]
Anschließend besuchte man Clanchef White Bear, der mit Karmapa viel des alten Hopi Wissens teilte. Auch er sprach über die drei vergangenen Welten, die aufgrund ihres degenerierten, materialistischen und unökologischen Lebenswandels untergingen und von der kommenden fünften Welt, so White Bear, „wir wieder das Sagen haben werden.“[18] Rigpe Dordje kommentierte all dies mit einem schlichten: „Gut!“
Als Karmapa aus den Reservaten der Indianer abreiste, hinterließ er ein in seiner Identität gestärktes Volk. Die Hopis waren in ihrer Geschichte immer wieder Opfer der Eroberungen seitens der benachbarten Navajos geworden. Aber der Abend mit Rigpe Dordje schien die beiden Stämme wieder einander näher gebracht zu haben, denn jetzt kamen sie als Freunde zu dem Dharmakönig, der sie beide eingeladen hatte.
(Fußnoten unter den beiden Zeitungsartikeln)
© Gerd Bausch 2016/2023. Ich freue mich, wenn der Link geteilt wird! Sonstige Verwendung von Textpassagen bedarf allerdings meiner schriftlichen Zustimmung Kontakt: info [at] karmapabiograhie.de oder hier anklicken. Vielen Dank!
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Arn Passman: Tibetans Fulfill Prophecy, Berkeley's Barb, October 18-24, 1974
[1] Interessanterweise bedeutet das Hopi-Wort Sivaki auf Deutsch Eisenpferd und bedeutet wie der tibetische Ausdruck ebenfalls Zug.
[2] Hopi ist die Kurzform von Hopituh Shi-nu-mu, was „die friedlichen Menschen” bedeutet. Steve Roth, der Fahrer Karmapas auf diesem Teil der Tour sagt: „Der ganze Zweck der ersten Reise von Seiner Heiligkeit war nicht etwa, Weiße zu treffen, sondern die Hopi Indianer, (...) die für ihn die gewaltfreisten auf unserem Kontinent waren. Sie waren sein Ziel.“ Steve Roth in: Radio Free Shambhala, Dispatches, a. a. O. Michael Hollingshead hatte bei seinem Besuch in Rumtek Rigpe Dordje bereits von den Hopis erzählt (Hollingshead, Michael: The man who turned on the world, Abelard-Schuman 1974) und Sister Palmo hatte die Hopis bei ihrer Vorbereitungsreise 1973 besucht.
[3] Karmapa Brings Rain to Hopi Land, Qua’ Töquti , October 10, 1974.
[4] Interview mit Andrea Loseries-Leick 2013.
[5] Der Hopi Älteste Thomas Banyacya in einem Gespräch mit Khenpo Karthar Rinpoche im Jahr 1979. Zu den Verbindungen zwischen Tibetern und Hopis, siehe auch: www.ywahoo.karmapabiofgraphie.de
[6] Hetty MacLise: Namthar of the Wee Lama Boy, http://www.phantomlyoracula.com/2007_03_01_archive.html. In der Hopizeitung Techqua Ikachi (Jan/Feb 1977) erkannten die Hopi-Ältesten die spirituelle Autorität Karmapas und des tibetischen Buddhismus an und bestätigen ihn als „zweiten Helfer“ der Prophezeiung.
[7] Sister Palmo: The Life of …, a. a. O.
[8] Gekürzt aus: Morreale, Don: Steve Roth Witnesses a Miracle, Examiner, 18.12.2011. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Don Morreale und Steve Roth.
[9] Nāgas haben einen Schlangenkörper und einen Menschenkopf (bzw. mehrere).
[10] Gespräch mit Jigme Rinpoche, März 2013.
[11] Siehe Aufnahmen in Elliot, Mark: Lion‘s Roar, a. a. O. oder hier: https://www.youtube.com/watch?v=20CNG6fj-y4
[12] Passmann: Tibetans Fulfill Prophecy… a. a. O. (siehe Scan oben)
[13] Interview mit Andrea Loseries-Leick, 2012.
[14] Steve Roth in: Radio Free Shambhala, Dispatches, a. a. O.
[15] Interview mit Achi Tsepal, Oktober 2014.
[16] Steve Roth in einem Gespräch mit dem Autor.
[17] Interview mit Kenneth Green 2015 und 2017. 1979 besuchte Green die Medizinfrau, die ihm von dem Treffen berichtete, und bestärkte, dass die Prophezeiungen der Hopis und die der Tibeter die gleichen seien. Trungpa Rinpoche bestätigte, dass wir uns in einer schwierigen Phase der Transition befinden, wobei letztlich „die grundlegende Güte“ siegen werde.
[18] Oswald White Bear Fredericks lieferte Frank Waters die Informationen für das Buch der Hopi. Er beschreibt in The History of the Hopi From Their Origins In Lemuria, dass die Hopis Nachkommen der Bewohner von Lemurien seien (bei White Bear Kuttara, in alten tamilischen Texten Kumarinatu genannt), das ähnlich wie Atlantis versunken sei. Dhyani Ywahoo bestätigte dies in einem Interview im September 2018.