Liebe Dharmafreundinnen und -freunde, ich arbeite weiterhin an der erweiterten Neuauflage von Strahlendes Mitgefühl. Und ich dachte mir, gerade für all jene, die das Buch schon gelesen haben, wäre es schön, wenn ich einige der Einfügungen hier poste... Die Texte sind noch nicht probegelsen, haben also sicher einige Fehler. Wer mag, kann mich gerne auf diese hinweisen ( info [at] karmapabiographie.de ). Danke!
Aufstände in Kham
(diese Passage fand sich schon in kürzerer Form im Buch)
1956 brachen in Chamdo schwere Kämpfe ausgebrochen. Die Khampas boten den Chinesen, die im Rahmen der Agrarreform bereits große Teile des fruchtbaren Bodens in Kolchosen umgewandelt hatten, erbitterten bewaffneten Widerstand: Sie griffen chinesische Camps und strategische Ziele an, woraufhin die Chinesen 40.000 Soldaten mobilisierten und das Kloster Lithang bombardierten. Dabei wurde ein charismatischer Führer der Khampa and Amdowa Freedomfighters, getötet. Erstmals zeigten die Chinesen, zu welchen Grausamkeiten sie in der Lage waren.[1] Ein anderer Anführer waren , Karmapas Bruder – Shamarpas Vater – Trinley Namgyal sowie sein Neffe. Die Situation war verfahren und drohte noch weiter zu eskalieren, eine Einigung zwischen den Konfliktparteien schien ausgeschlossen. Die Chinesen baten den von ihnen zutiefst respektierten Karmapa zu vermitteln, doch die Aktionen seiner nahen Verwandten machten ihn zur Zielscheibe der Chinesen. Aus Angst, dass er gefangengenommen würde, drängten ihn sein weiterer Bruder Ponlop Rinpoche und seine Schwester Yangtschen, die Bitte auszuschlagen,doch wie so oft kümmerte er sich in keiner Weise um seine eigene Sicherheit,sondern ignorierte diese Einwände und reiste ab. Da Karmapa sich bereit erklärt hatte, persönlich zu vermitteln, waren die Khampakrieger bereit, sich mit den Besatzern an den Verhandlungstisch zu setzen. Im Verlauf der Verhandlungen riet er den Chinesen:
"Da die Menschen hier in Kham schlichtweg keine Vorstellung davon haben, was in der übrigen Welt vor sich geht, wird es Ihnen nicht gelingen, die seit Generationen überlieferten Bräuche so schnell zu ändern. Deshalb sollten Sie erst einmal eine gute Schule errichten und dann mit friedlichen Mitteln den Sozialismus einführen."[2]
Im Verlauf der Verhandlungenwilligten die Chinesen überraschenderweise ein, die geplanten Reformen für fünf Jahre aufzuschieben, und angesichts dieses Zugeständnisses stimmten die Rebellen einer Feuerpause zu: Karmapas Friedensmission führte zur Unterzeichnung eines Fünf-Jahres-Waffenstillstands.
Auf Pilgerreise in Indien 1957
In Darjeeling begab sich eine Begebenheit, die sich in seinem späteren Leben noch häufig wiederholen sollte: Er hatte von einer dort lebenden Hundezüchterin erfahren, die er nun aufsuchte. Hier kam es zu einer intensiven Begegnung mit ihrem wertvollsten Rassehund, wie die Inhaberin später einer australischen Frauenzeitschrift anvertraute: „Der kleine Hund lief direkt auf den Lama zu, stellte sich vor ihm auf die Hinterbeine und bettelte. Man hatte ihm dies nie beigebracht, und ich hatte auch noch nie gesehen, dass er sich so verhielt. Wohin der Geistliche sich auch bewegte, der Hund folgte ihm und wiederholte dieses Verhalten.“ Karmapa wusste sofort Bescheid und erklärte: „Er kennt mich! Er ist die Wiedergenurt einer meiner Hunde!“[3]
Im Februar 1957 wohnte Karmapa auf Einladung der sikkimischen Königshauses den dortigen dortigen Feierlichkeiten zum Buddha Jayanthi bei, denen der Dalai Lama vorstand und an denen auch der noch junge Sakya Trizin Rinpoche teilnahm.[4]
Anschließend besuchte Karmapa gemeinsam mit dem Ersten Dzongsar Khyentse Rinpoche Damyang Choki Lodro und seiner Partnerin Khandro Tsering Chodrön das große Nyingmapa-Kloster Tashiding, wo man die Praxis der Segnung heiliger Orte ausführte. Während des Aufenthalts tauschte Karmapa sich mit Dzongsar Rinpoche ausgiebig über ihre Verwirklichung aus – und „der Geistesstrom der beiden verschmolz zu einem.“[5]
Karmapa hatte den Wunsch geäußert, den Yogi Chagdrak Rinpoche zu besuchen. Da dessen Praxisstätte entfernt in den Bergen lag, hatte dieser geantwortet, er würde nach Tashiding kommen, wo sich die beiden trafen. Beim Abschied löste sich Chakthag Rinpoche, so seine Biographie, „in dünne Luft auf“ und war nicht mehr zu sehen.[6]
[1] Dalai Lama: Freedom in Exile, a. a. O., S. 121.
[2] khams rigs mams ni 'dzamglinggignas stangs mthongba'i shesyon med mkhan sha stag yin tsangglo bur mi rabs nasyod pa'i goms gshis bsgyur thub kyin ma red / der brten slob grwa yag po btsugs te zhi 'jam thog nas spyi tshogs ring lugs ngo sprod gnang rogs gnang (Zhwa dmar, sku tshe’i rnam thar, 72)
[3] Phil Percie-Paine; Doris Cheesbrough (ed).: The Priest and the Pekinese, Australian Women’s Weekly, Wednesday 29 August 1973, S. 41.
[4] Interview in Strahlendes Mitgefühl, S. 253.
[5] Dilgo Khyentse Rinpoche, Orgyen Tobgyal Rinpoche; Drubgyud Tenzin Rinpoche (Transl.): The Life and Times of Jamyang Khyentse Chökyi Lodrö, Shambhala 2017, S. 347.
[6] Palchen Dorjee Chakthag: The Miraculous Life of Drubchen Chakthag, Selbstverlag 2018.
Neue Version des Besuchs in Delhi, Winter 1960/1961
Karma Dordje erinnert sich an den Besuch in der indischen Hauptstadt:
Später in Delhi wohnten wir mit Karmapa zehn Tage lang in einem kleinen Gästehaus. Abends rezitierten wir gemeinsam das Mantra Karmapa Khyenno. Die Inder kamen um zuzuschauen, und viele indische Kinder begannen zu unserem Erstaunen mit uns das Mantra zu rezitieren. Sie fanden Gefallen daran, Karmapa zu sehen, es zog sie zu ihm. In Nepal hatte Karmapa viele Schüler, von denen ihn einige bereits in Tibet besucht hatten, und so waren sie sich bewusst, wer Karmapa war. Sie kamen voller Respekt, um seinen Segen zu erhalten. Aber in Indien war er völlig unbekannt, und deswegen war es umso beeindruckender zu sehen, welch immense Wirkung er auf sie hatte!
Während des Besuchs in Neu-Delhi traf Karmapa erneut Premierminister Minister Pandit Jawaharlal Nehru. Bereits zuvor hatte er diesem in einem Brief mitgeteilt:
Da meine Anhänger über keine eigenen Mittel verfügen, sind sie in Bezug auf Nahrung, Unterkunft und Kleidung von mir abhängig. Bis jetzt ist es mir gelungen, ihre Bedürfnisse mit den begrenzten Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, zu decken, und solange es mir diese Mittel erlauben, werde ich das auch weiterhin tun. Diese Avatar-Heiligen (Tulkus), Lamas und Mönchsschüler führen ihre hingebungsvollen Praktiken und Meditationen (...) durch, um den Dharma zu bewahren, der von Tilopa und Naropa sowie anderen großen Weisen Indiens und später von tibetischen Heiligen wie Marpa und Milarepa stammen. Es sei hier erwähnt, dass die Kagyü-Tradition, die sich auf Meditation spezialisiert hat, ihren Ursprung in Indien hat.
Das dringlichste Problem, vor dem ich und alle, die mich begleiten, stehen, ist, ein klösterliches Zentrum in Sikkim errichten zu können. (…) Hilfe in Form von Spenden [kommt bereits] von den Regierungen Sikkims und Bhutans, mit denen uns seit Jahrhunderten sehr enge spirituelle und kulturelle Beziehungen verbinden (…), aber für die Durchführung eines Projekts dieses Umfangs wird mehr benötigt, (…) weswegen ich Eure Exzellenz vertrauensvoll um Sympathie, wertvolle Ratschläge und Führung sowie um die großzügige Unterstützung seitens der indischen Regierung bitten möchte.
Bei dem nun folgenden Treffen war Nehru „von den Worten Seiner Heiligkeit und seiner aufrichtigen Sorge um alle Lebewesen äußerst bewegt. Er dankte ihm sehr für seine mitfühlende Buddha-Aktivität. Der Premierminister (...) stellte den Tibetern ein immenses Maß an Hilfe“ für den Klosterneubau zur Verfügung – etwas, das, so Lama Tsültrim Namgyal, der dem 16. Karmapa zwanzig Jahre seines Lebens diente, „äußerst ungewöhnlich“ war, da Karmapa in seiner neuen Heimat keinerlei Status innehatte:
Der 16. Karmapa war ein Flüchtling. Für gewöhnlich hören Könige und Präsidenten nicht auf Flüchtlinge, keiner hört auf sie. Doch bei Karmapa war das anders: Alle, die er traf – selbst sehr wichtige Menschen, wie Könige, Politiker und reiche Menschen – waren von seiner natürlichen Kraft überwältigt. Entsprechend boten sie ihm ihre Hilfe an. Und obwohl Karmapa Flüchtling war, kein Englisch sprach und beispielsweise nicht in den Wissenschaften bewandert war, beeindruckte er jede und jeden, man könnte fast sagen: Er bändigte sie. Wer auch immer ihn traf, hatte sofort den Wunsch zu geben, was er hatte, um seine Aktivität zu unterstützen.